Holzminden (red). Die unbefriedigende Zugverbindung von Holzminden nach Hannover war Thema beim Landtagsstammtisch von Uwe Schünemann. Wer hat nicht schon einmal beim Umsteigen in Kreiensen erlebt, dass der Anschlusszug vor der Nase weggefahren ist?
Der Abgeordnete wollte wissen, wann sich das endlich ändert. Um diese Frage zu beantworten, hatte er Experten der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) in den Jazz Club Holzminden eingeladen. Gekommen waren Geschäftsführerin Carmen Schwabl und der stellvertretende Bereichsleiter für Infrastruktur, Martin Jabke.
Das Ziel ist ambitioniert: 2030 sollen batteriebetriebene Fahrzeuge mit einer Spitzengeschwindigkeit von bis zu 160 km/h auf einer komplett sanierten Strecke einen Stundentakt Richtung Hannover ermöglichen und für Verlässlichkeit sorgen. Zwischen Holzminden und Paderborn stellt die LNVG sogar einen Halbstundentakt in Aussicht – zunächst im Berufsverkehr und spätestens ab 2040 durchgehend.
Derzeit kann maximal Tempo 100 gefahren werden. Durch die höhere Geschwindigkeit soll die Sicherheit der Anschlüsse in Kreiensen deutlich verbessert werden. Bis dahin bleibt jedoch noch viel zu tun. So sind laut Martin Jabke umfangreiche Trassierungsanpassungen notwendig. Verschiedene Brücken, Durchlässe, Signalanlagen und Bahnübergänge müssen angepasst werden. Zudem muss der Schallschutz verbessert und die Entwässerung komplett umgebaut werden. Eine besondere Herausforderung stellen die Bestandstunnel auf der Strecke dar. Der 250 Meter lange Ippenser Tunnel und der 885 Meter lange Naenser Tunnel stehen unter Denkmalschutz.
Die dafür anfallenden Investitionskosten sind enorm. Geschäftsführerin Carmen Schwabl geht von rund 230 Millionen Euro aus. Für den Einsatz von batterieelektrischen Fahrzeugen (BEMU) muss die Oberleitung außerdem einige Kilometer über Kreiensen hinaus in Richtung Holzminden verlängert werden. In Holzminden entsteht eine „Oberleitungsinsel“ mit einigen Kilometern Fahrdraht. Dafür sind weitere 30 Millionen Euro notwendig. Die Beschaffung der BEMUs ist bereits landesweit angelaufen. Somit muss zeitnah mit der Elektrifizierung begonnen werden.
75 Prozent der Baukosten soll der Bund tragen. Ein entsprechender Antrag nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ist bereits vorbereitet. „Entscheidend für die Genehmigung wird jetzt der Nachweis der Wirtschaftlichkeit sein“, so Carmen Schwabl. Das Ergebnis des beauftragten Gutachtens wird spätestens im Oktober vorliegen. Mithilfe eines wissenschaftlichen Verfahrens werden die zu erwartenden Fahrgastzahlen auf das verbesserte Angebot hochgerechnet. „Wir müssen den Faktor 1,0 erreichen“, sagt Uwe Schünemann unter Verweis auf die Berechnungen für den Ith-Tunnel. Er ist allerdings optimistisch, da der Stundentakt Richtung Paderborn bereits in der Praxis zu einem deutlichen Anstieg der Nutzerzahlen geführt hat. „Wenn die Bahn verlässlich ist, dann ist der Zug eine echte Alternative.“
Im Mittelpunkt einer angeregten Diskussion standen die enormen Investitionskosten und der hohe Planungsaufwand. Reichen die verfügbaren Fachplaner aus und wird die Bahn kurzfristig einen so hohen Zuschuss bereitstellen können? Carmen Schwabl räumte ein, dass eine Fertigstellung bis 2030 mit großen Risiken behaftet ist. Die Anregung, die ohnehin notwendigen Sanierungskosten im GVFG-Antrag gesondert auszuweisen, wurde dankend aufgenommen.
Neben Holzminden gibt es nur noch zwei Regionen in Niedersachsen ohne Stundentakt. Vor diesem Hintergrund griff Uwe Schünemann eine Anregung der AG Bahn aus der Vergangenheit auf und forderte für die Übergangszeit zusätzliche Züge, um kurzfristig das Angebot zu verbessern. Teilweise würden Züge in Kreiensen geparkt und könnten entsprechend eingesetzt werden. „Auch wenn der Fahrplan dies ermöglichen würde, hat die LNVG dafür keine Mittel zur Verfügung“, so Carmen Schwabl. Die Finanzierung des Deutschlandtickets habe die Spielräume erheblich verringert. Bund und Länder bringen zurzeit jeweils 1,5 Milliarden Euro jährlich dafür auf. Der Zuschussbedarf liegt allerdings bei rund 4,5 Milliarden Euro. „Für die Ballungsgebiete ist das ein hervorragendes Angebot“, bestätigt Uwe Schünemann. Allerdings profitiere der ländliche Raum kaum davon und werde aufgrund der fehlenden Gelder doppelt bestraft.
„Ich möchte wissen, wie hoch die Kosten für die zusätzlichen Züge auf der Strecke Holzminden–Kreiensen sind“, kündigte Uwe Schünemann eine Anfrage bei der LNVG an. Erst dann könne konkret über die Finanzierung gesprochen werden. Carmen Schwabl stellte mit einem Augenzwinkern und der Zusicherung, stets serviceorientiert zu sein, eine zeitnahe Antwort in Aussicht.
Der barrierefreie Ausbau des Bahnhofs in Holzminden befindet sich bereits in der Umsetzung. „Voraussichtlich werden die Arbeiten Ende März abgeschlossen sein“, zeigte sich Martin Jabke zuversichtlich. Da der Fußgängertunnel nach einer Überschwemmung komplett erneuert werden muss, wird ab Anfang Oktober eine provisorische Fußgängerbrücke zum Mittelbahnsteig führen. Ab dem Frühjahr ist der Tunnel wieder nutzbar und zwei Rampen werden für Barrierefreiheit sorgen. Der Haltepunkt erhält die üblichen Einrichtungen wie Fahrgastinformation, Wetterschutz und Blindenleitsystem.
Zur Attraktivitätssteigerung gehört auch das Bahnhofsumfeld. Deshalb fördert die LNVG auch diese Maßnahmen. Lange Zeit stand dies nicht auf der Prioritätenliste der Stadt Holzminden. „Das hat sich mit Ihrem Dienstantritt geändert“, lobte Uwe Schünemann Baudirektor Ralf Flormann, der seine Planungen vorstellte. Die Verwaltung hat zwei Varianten erarbeitet. Die Nutzung des alten Bahnhofs für den Wartebereich und die Toiletten ist noch nicht sicher. Man stehe jedoch mit einem potenziellen Investor in Kontakt, der den Umbau in ein Bürogebäude plane. Andernfalls müsse ein entsprechendes Angebot neu erstellt werden. Die vorgestellten Pläne, unter anderem für die Busse und die Parkplätze, stießen auf große Zustimmung.
Foto: Sabine Echzell